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Bernard Meyer

Bernard Meyer

"Uns war klar, dass wir unabhängiger werden müssen."

Rund 16 Millionen Einzelteile sind in einem modernen
Kreuzfahrtschiff verbaut. Vom Holzsegler über den
Stahlschiffbau bis heute zu den großen und komplexen
Ozeanriesen ist es der Meyer Werft in Papenburg über
Generationen gelungen, das Familienunternehmen
durch schwere Fahrwasser zu bringen. Die Innovationszyklen
werden kürzer, der nächste Wandel ist in Sicht.
Und Seniorchef Bernard Meyer steckt mittendrin.

Bernard Meyer

„In dem Moment ist uns allen das Herz stehengeblieben“, erinnert sich Bernard Meyer beim Blick auf das Foto vom Stapellauf der Homeric. Nicht nur, weil es der erste (und letzte) Querstapellauf eines Schiffs dieser Größe überhaupt war. Die Homeric war das erste Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft. Herausforderung, Chance, Wagnis – und rückblickend der Beginn einer neuen Ära. Die Welle, die die Homeric 1986 vor jubelnden Zuschauern gemacht hat, hat die Meyer Werft ins neue Jahrtausend getragen.

Für 2023 plant die MEYER WERFT die Ablieferung der "Carnival Jubilee" für Carnival Cruise Line. Erstmals wird dazu ein Schiffsdesign von MEYER TURKU zur MEYER WERFT transfomiert.

Neugierig auf Technik

Papenburg in den 1950er Jahren. Wenn Berna Meyer ihre älteren Söhne am Sonntagabend in die Wanne steckt, weiß sie gleich: Die Jungs haben sich wieder zum Spielen auf die Werft geschlichen. Zu verlockend sind die kleinen fahrbaren Kräne und der viele Sand in der Gießerei. „Dort konnte man sich allerdings auch Sandflöhe einfangen, die haben uns verraten“, erklärt Bernard Meyer rückblickend. „Genau wie unsere kleinen Handabdrücke. Montags stand dann der Meister im Büro und hat geschimpft.“ Am Reiz der Werkstätten habe das aber nichts geändert. Im Gegenteil. „Schon als kleiner Junge durfte ich in den Ferien in der Tischlerei mitarbeiten. Das war toll.“ Beim Bau von Möbeln für die Schiffe lernt der junge Bernard von einem älteren Gesellen, wie man mit
Holz umgeht. Der Vater fördert das handwerkliche Interesse seiner Söhne gerne. „Aber er hat nie Druck ausgeübt, dass wir die Werft übernehmen sollten. In der Branche war es ja nicht immer leicht.“

Für Bernard Meyer steht trotzdem früh fest: Er will Schiffbauingenieur werden. Ein gerngesehener Nebeneffekt: Das Studium würde ihn in die größere Stadt führen. „In Emden gab es schließlich noch keine Hochschule. Und als Junggeselle nach dem Abitur in den 1960er Jahren war Papenburg doch etwas trostlos.“ Ganz anders in den Wohnheimen und Studentenbuden in Hannover und Hamburg. Es ist die Zeit der Studentenunruhen. Das Geschehen bewegt Meyer. Er ist vielfältig interessiert, hört auch Vorlesungen anderer Fachbereiche. Und beabsichtigt, das Diplom in der Tasche, als nächstes auf französischen Werften Erfahrungen zu sammeln. Die Reise einer Wirtschaftsdelegation nach Japan lässt ihn kurzfristig umplanen. Und legt die Basis für viele seiner späteren Entscheidungen.

Auf großer Fahrt

Der Schiffbauverband will die großen Werften Japans besichtigen, damals führend auf der Welt. Mitreisen dürfen allerdings nur Mitarbeiter einer Werft. „Da hat mein Vater gesagt: Dann stellen wir dich jetzt ein.“ Sie waren beeindruckt von der Arbeit der Japaner. „Es waren nicht nur die Größe und die Technologien, sondern auch die Fertigungstiefen. Die Organisation war schon von Kaizen geprägt.“ Diese japanische Lebens und Arbeitsphilosophie sollte später großen Einfluss auch auf westliche Managementprozesse nehmen. Vieles, was Meyer in Fernost aufsaugt, wird er bald selbst anwenden können. Und müssen.
Die Branche steht unter Druck, Aufträge gehen zunehmend nach Asien. Die Meyer Werft hat Glück. In einem kurzen politischen Frühling zwischen
der damaligen Sowjetunion und den USA ziehen Vater und Sohn in Moskau einen Großauftrag an Land. „Sechs große LPG-Tanker, das war unglaublich. So große Schiffe hatten wir noch nie gebaut.“ Also musste eine größere Werft her. Bernard Meyer überzeugt den Senior, außerhalb der Stadt neu zu bauen. „Der Sprung ganz nach Emden war uns zu groß, wir brauchten ja unsere Fachleute.“ Der Vater geht mit, aber macht auch klar: „Du wirst jetzt hier gebraucht. Alle Fehler, die wir machen,
machen wir zusammen.“ Bernard Meyer übernimmt die Bauleitung. Es zeigt sich: Sie sind ein gutes Team. Stadt und Kreis ziehen mit, und auch, dass ihr Neubau in Niedersachsen das erste mit Bundesemissionsschutzverfahren ist, hält sie nicht auf. Innerhalb von achtzehn Monaten entstehen gleichzeitig die Grundzüge neue Werft und das erste Schiff.

Die MEYER WERFT hat Ende 2022 die "Arvia" an ihren Auftragsgeber, die britische Rederei P&O Cruises, übergeben. Die "Arvia" wird mit verflüssigtem Erdgas (LNG) angetrieben - einem der saubersten derzeit verfügbaren Treibstoffe in der Schifffahrt.

Mut zur Nische

„Und dann kam die Ölkrise. Überall lagen Schiffe und wir bauten eine neue Werft.“ Die Finanzierung wird zur Herausforderung. „Das Konzept ist gut, aber der junge Meyer ist zu jung und der alte Meyer zu alt“, sind die Bedenken einer Bank, wie sie später erfahren. „Da war mein Vater 65 Jahre alt und ich 25.“ Die beiden beschließen für die Zukunft eine strategische Rollenteilung. „Mein Vater stand für Solidität und Kontinuität, ich für neue Ideen und Innovationen.“ Der Plan geht auf und wird auch in der nächsten Generation gelebt. „Wir waren bis zuletzt ein gutes Team. Ich bereue keine Minute mit meinem Vater.“

Als die Werft fertig ist, will der Ingenieur die Märkte kennenlernen. „Und auch möglichst viele Menschen.“ Das halbe Jahr bei einem Schiffsmakler in London wird ihm auch bei seiner vielleicht wichtigsten Entscheidung zugutekommen. Anfang der 1980er Jahre, er leitet die Werft inzwischen, schreibt ein griechischer Reeder ein Kreuzfahrtschiff aus. Andere zögern, nicht nur wegen der technisch höchst anspruchsvollen Aufgabe, sondern auch weil nur zwei Jahre Bauzeit vorgesehen sind. Meyer, inzwischen erfahren im Bau luxuriöser Skandinavien-Fähren, schlägt zu. „Schon bei den Gastankern haben wir uns eher als Generalunternehmer denn als reine Schiffbauer verstanden.“

Nicht nur das Orchestrieren der Gewerke ist Meyers Alleinstellungsmerkmal, sondern auch das umfassende Know-how im Haus. Heute gibt es in der Gruppe Spezialkompetenzen für Klimatechnik, Künstliche Intelligenz oder auch den Bau von Erlebnisbädern. Von den gut 7.000 Mitarbeitenden sind über 1.400 Ingenieure und Ingenieurinnen. Viele Lösungen entstehen in Zusammenarbeit mit den Kunden. „Schon mein Urgroßvater hat gesagt: Der Erfolg hängt von der Ausbildung und der Kompetenz ab. Das ist ein Investment für die nächsten zehn Jahre und nicht für morgen.“ Die Meyer Werft besetzt eine Nische und wird zum Technologieführer.

Technik von Morgen

Immer wieder sind die Papenburger der Konkurrenz durch technische Innovationen voraus. Auf der Werft steht das größte Laserzentrum Europas. Für seine Verdienste um Naturwissenschaft und Technik wird Bernard Meyer mit dem Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet. Eine der wenigen Ehrungen, die er annimmt. Lieber spricht er über die Sache. „Heute sind wir die einzige Werft, die ein integriertes Product Lifecycle Management hat“, erklärt er etwa. So könnten die immensen Mengen an Konstruktions- und Entwicklungsdaten bis in die Fertigung genutzt werden. „Auf dem technischen Niveau hat das bisher noch niemand geschafft.“ Sein Sohn Paul, promovierter Wirtschaftsinformatiker, hat mit einer neuen Plattform den Anstoß für einen völlig neuen Fertigungsansatz gegeben. Ein Steuerkreis und kleine gemischten Teams sichern Flexibilität. Erneut der Aufbruch in eine neue Ära.

Viele Schiffbaubetriebe sieht Bernard Meyer am Generationenübergang scheitern. Mit zwei Familienstiftungen sichert er deshalb frühzeitig den Fortbestand und die Nachfolge der inzwischen drei Werften der Gruppe. „Ich bin noch da, aber ich habe die aktive Verantwortung abgegeben.“ Sohn Jan führt die Papenburger Werft, Tim die im finnischen Turku und Paul verantwortet die IT aller Standorte. Außerdem gehören Nicht-Familienmitglieder zur Geschäftsführung. Bernard Meyer steht allen zur Seite und für Kontinuität. Er tut es seinem Vater nach. Und er ist im deutschen und im europäischen Schiffbauverband aktiv. Hier wie dort steht durch Pandemie und Krieg in Europa Krisenmanagement auf der Tagesordnung. „Es ist nicht einfach. Wir haben die Produktion und auch den Umsatz um 40 Prozent heruntergefahren.“ Aus voller Fahrt – davor lieferte Meyer jährlich so viele Kreuzfahrtschiffe aus wie nie. „Wir sind durch die Kreuzfahrt um das Zehnfache gewachsen. Mein Sohn hat mal gesagt, wir waren eigentlich ein Start-up Unternehmen.“ Der deutsche Schiffbau ist zeitgleich auf ein Zehntel geschrumpft. Heute entfallen 80 Prozent des deutschen Handelsschiffbaus auf die Meyer Gruppe. Doch das Unternehmen ist im Wandel.

„Als der Kreuzfahrtmarkt vor zwei Jahren zusammengebrochen ist, haben wir nach Alternativen gesucht. Die vorliegenden Aufträge ließen sich zum Glück strecken. Aber uns war auch klar, dass wir unabhängiger werden müssen.“ Durch Rückbesinnung, aber auch durch Weiterentwicklung.
Heute ist wieder ein Forschungsschiff im Bau, werden ältere Schiffe auf umweltfreundlichere Antriebe umgerüstet, gibt es eine Sparte für grüne Superyachten. Eine große Zukunft sieht der Seniorchef für den Bau schwimmender Gebäude. Ein Konzept, das schon die nächste
Generation entwickelt hat.

Papenburg war und ist Bernard Meyers Heimathafen. Er schätzt die Region für ihre Familienfreundlichkeit, früher ist er hier gerudert. Hobbys? Nein, die habe er aktuell nicht. Er ist gerne im Büro, in den Fertigungshallen, weiß stets, was wie wo im Bau ist. Und auch wenn es in Papenburg keinen Stapellauf mehr gibt, ist das Ausdocken der Schiffe noch immer ein ganz besonderer Moment für ihn. Und ein Volksfest – heute mehr denn je.

MEYER WERFT GmbH & Co. KG

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