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Olaf Meinen

Olaf Meinen, Landrat Landkreis Aurich

„Mein Glas ist immer halbvoll.“

Gestaltungswille und Überzeugungskraft sind hervorstechende Eigenschaften von Politikern. Wie viele Rückschläge aber kann ein frisch ins Amt Gewählter vertragen, ohne Optimismus und Mut zu verlieren? Geht es nach Olaf Meinen, dem Landrat des Kreises Aurich, kennt die Liste kein Ende. Aus jeder Krise könne man gestärkt hervorgehen, sagt er.

Landrat Olaf Meinen

Eines kann Olaf Meinen nach den ersten Amtsjahren als Landrat des Kreises Aurich guten Gewissens von sich behaupten: „Ich bin krisenerprobt!“. Daran besteht tatsächlich kein Zweifel. Am 1. November 2019 bezog er sein Büro im Kreishaus, schon eine Woche später ereilte ihn auf einer Dienstreise ins fränkische Feuchtwangen die Nachricht, dass der Windkraftanlagenbauer Enercon einen massiven Stellenabbau plane. 1.500 Arbeitsplätze müssten allein in Aurich gestrichen werden. Auf der weiteren Fahrt in den Süden legte Meinen sein Telefon nicht mehr aus der Hand.

Und dann Corona. Der Krieg in der Ukraine. Energiekrise und Inflation. Die Gefügelpest und das brennende Krankenhaus in Norden. Keine Frage: Ein Traumstart sieht anders aus. Aber Olaf Meinen ist keiner, der sich so schnell ausbremsen und unterkriegen lässt. „Wenn wir neue Probleme bekommen, müssen wir nach neuen Lösungen suchen“, sagt der 55-Jährige. Wenn es der Sache dient, schreckt er auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurück – Corona hat es bewiesen. Dass das nicht allen gefällt? Muss es ja nicht.

Olaf Meinen, Landrat Landkreis Aurich
Olaf Meinen, Landrat Landkreis Aurich

Als Jugendlicher nicht ganz einfach

Olaf Meinen ist ein grundsätzlich optimistischer Mensch. „Mein Glas ist immer halbvoll“, betont er. In jeder Krise liege auch eine Chance. Man müsse sie nur erkennen und dann beherzt zugreifen. Ostfriesen könnten das, fügt er an, auch wenn sie andernorts häufig als stur und reserviert angesehen würden. Er hingegen charakterisiert seine Landsleute eher als an Neuem interessiert und weltoffen: „Die Nähe zur Küste und zur Seefahrt hat darauf sicherlich Einfluss.“

Selbst ist Meinen ein echter Fehntjer Jung, aufgewachsen in Strackholt, Gemeinde Großefehn. Der Sohn einer Gastronomenfamilie wusste bereits früh, dass er den elterlichen Betrieb nicht übernehmen möchte. „Ich war als Jugendlicher sicherlich nicht ganz einfach“, weiß er heute. Olaf brauchte seine Freiheiten und Freiräume. So kam es durchaus vor, dass die Eltern oft tagelang nicht wussten, wo sich der Junior gerade wieder rumtreibt. Der war derweil mit einer Handballmannschaft ins nur knapp zehn Kilometer entfernte Wiesmoor gefahren und erst drei Tage später wieder zuhause.

Lebenswege verlaufen nicht immer gerade, sondern halten Abzweigungen, Schnellstraßen und Sackgassen bereit. Dennoch erstaunt es im Rückblick, dass Meinen ausgerechnet eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Gemeinde Großefehn begann. „Na ja“, räumt er ein, „das war mehr oder weniger Zufall“. Auf die Stellenausschreibung sei er von Bekannten hingewiesen worden, habe eine Bewerbung losgeschickt („Meine einzige!“) und den Platz prompt bekommen. Damit sei klar gewesen: „Ich probiere das mal aus.“

Beim Ausprobieren blieb es nicht. Nach erfolgreich absolvierter Ausbildung und einem Studium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Leer wechselte Meinen zum Landkreis Leer, übernahm dort die Leitung der Ausländerbehörde. Zur Jahrtausendwende kehrte er nach Großefehn zurück, wo ihm der Chefposten des Ordnungs- und Sozialamtes übertragen wurde. „Das waren alles spannende Aufgaben, die mir auch Spaß gemacht haben.“ Vor allem der ständige enge Kontakt mit Menschen und die Möglichkeit, ihnen zu helfen, seien für ihn wichtig und prägend gewesen. Nur mit den reglementierten Arbeitszeiten von 8 bis 16 Uhr wurde er nicht recht warm.

Die Lust am Ausprobieren

2006 wurde in Großefehn ein neuer Bürgermeister gesucht. Ob das nichts für ihn wäre, wurde Olaf Meinen gefragt. „Ich habe erstmal abgewunken.“ Dann sprach er aber doch mit seiner Frau über eine mögliche Kandidatur. Denn sie kam langsam wieder auf, die Lust am Ausprobieren. Am Ende ging er als Einzelbewerber ins Rennen mit vier Kontrahenten, von denen einer als klarer Favorit galt. Meinen kam zugute, dass er in allen Ortschaften der Gemeinde über Kontakte verfügte und sich auf einen Kreis an aktiven Unterstützerinnen und Unterstützern verlassen konnte. Das war in der Folge ausschlaggebend für seine Wahl.

Mit einem fröhlichen „Moin, ich bin der Neue!“ stellte er sich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an seinem ersten Arbeitstag im Rathaus vor. „Die frühen Monate waren anspruchsvoll, ich musste erstmal die Fronten klären“, erinnert er sich an die Anfangszeit. Dann aber habe sich in der Gemeinde die Erkenntnis durchgesetzt, „mit dem kann man ja auskommen, der meint es ehrlich mit uns“. 2014 erfolgte die Wiederwahl. Diesmal gab es keine Mitbewerber. 91,3 Prozent waren dennoch ein rekordverdächtiges Ergebnis.

Insgesamt blieb Olaf Meinen 13 Jahre Bürgermeister von Großefehn. Zwei Jahre vor Ende der bis 2021 währenden Amtsperiode zog er Zwischenbilanz und entschied sich einmal mehr für eine Veränderung. „Den Wunsch danach trug ich schon länger in mir, denn ich hatte das Gefühl, für meine Gemeinde inzwischen vieles erreicht zu haben.“ Vor allem hatte er es verstanden, die verschiedenen politischen Lager zu einen. Die meisten zukunftsweisenden Beschlüsse im Rat wurden einstimmig gefasst.

Ein Stück weit verrückt

Weiterhin ohne Parteizugehörigkeit, warf der zweifache Familienvater seinen Hut für das Amt des Landrats im Kreis Aurich in den Ring – erneut nach einem Impuls von außen. Gleich im ersten Wahlgang gelang es ihm, die absolute Mehrheit zu erringen.

Worin lag die größte Umstellung beim Amtsantritt? Meinen lacht: „Ich konnte nicht mehr mal eben in der Mittagspause nach Hause gehen.“ Und was haben die beiden Ämter gemeinsam? Hier holt der 1967 Geborene etwas weiter aus: „Man muss kommunikativ sein, auf die Leute zugehen können. Klar ist aber auch, dass man es nicht allen rechtmachen kann, und man deshalb ein dickes Fell braucht.“ Von geregelten Arbeitszeiten und Abläufen dürfe man nicht ausgehen. Oft wisse er morgens noch nicht, was der Tag bringen werde. Alles in allem: „Für beide Ämter muss man sicher ein Stück weit verrückt sein.“

Was darüber hinaus nicht schaden kann, ist strategisches Denken. Während sich der Chef der Gemeindeverwaltung gelegentlich auch mit Themen wie einem klappernden Gullydeckel auf dem Fußweg befassen muss, steht beim Landrat eher die mittel- bis langfristige Verbesserung der gesamten Verkehrsinfrastruktur auf der Agenda. „Das ist eine Herausforderung, der man sich stellen muss“, sagt Meinen.

Und eine, die er gerne annimmt. Schließlich geht es um viel. Nicht nur um die Zukunft des Kreises Aurich, sondern um die ganz Ostfrieslands. Olaf Meinen sieht hervorragende Perspektiven für die weitere Entwicklung. Energiewende, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Themen, die auf seiner Agenda ganz oben stehen. „Unsere Region kann in diesen Bereichen zu einer Blaupause für ganz Deutschland werden. Als Heimat der Erneuerbaren bringen wir doch die besten Voraussetzungen mit.“

Das alte Zoll- und Packhaus in Norden ist ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert.

Ende des Kirchturmdenkens

Als Motto für seine Zukunftsüberlegungen hat sich Meinen einen Satz des niedersächsischen Wirtschaftsministers Olaf Lies zu eigen gemacht: „Industrie folgt Energie“. Dort, wo die Bedingungen passen, werde sich auch wirtschaftlicher Erfolg einstellen. Jede Gemeinde, jede Stadt müsse deshalb an ihren Stärken arbeiten. Entscheidend dafür, dass die Strategie aufgehe, sei das Ende des Kirchturmdenkens. „Kein großes Unternehmen wird erklären, dass es sich in Strackholt oder Marienhafe ansiedeln wird. Es wird immer heißen: Wir kommen nach Ostfriesland.“ Deshalb gehe man die Aufgaben in der „Allianz für Ostfriesland“ gemeinsam an.

Als der Zusammenschluss im Herbst 2022 vom niedersächsischen Europa- und Regionalministerium in das Programm „Zukunftsregionen in Niedersachsen“ aufgenommen wurde, sah Meinen das als Bestätigung der Arbeit an, die seine Kolleginnen und Kollegen aus den Kreisen Wittmund und Leer sowie der Stadt Emden und er selbst in den letzten Jahren geleistet haben. „Innovative Ideen mit bestehenden Strukturen kombinieren und dabei das gemeinsame kulturelle Erbe weitertragen: Das ist eine tolle Chance, die sich uns bietet“, erklärte er anlässlich der Übergabe eines Förderbescheids in Höhe von knapp fünf Millionen Euro aus EU-Geldern.

Chancen erkennen und beherzt zugreifen: Da ist er wieder, der Leitsatz, mit dem der Auricher Landrat seine Aufgaben meistert.